Die schnellen Züge halten kaum in unsrer Gegend

Die schnellen Züge halten kaum in unsrer Gegend

wer sieht den Weg schon hier das Feld umfassen
seitlich so als hielte er allein es davon ab
das Korn mit einer Husche in die Furchen zu verstreuen
so wie die Männer hier auf Rädern sich begrüßen
es nichts bedarf als eines Nickens anerkennend
um zu sagen: ich seh du lebst
vom Zug aus ist das alles immer schon in rechts
und links geschieden bleibt die Landschaft nur ein Anblick

Waren zwei aus dieser Gegend die sich neulich
an einem dieser Landschaftstage wo man sich
vom Zug aus träumt wie hier ein Leben gehen könnte
zwischen Leißling und dem Wehr bei Weißenfels
auf die Gleise legten – kam der Zug zum Stehen
war die Welt am Ziel des schnellen Zuges aus den Fugen
sah ein Reisender nach langem Stehen in der mitteldeutschen
Leere tatsächlich einen Unterschied im Weiß
der Häuser an der Straße die zum Waldrand führt

Wir standen hoch auf Goseck sahen fern den Staub
der Dreschmaschinen über Eulaus Steinzeitgräber ziehen
die die stark verletzten Schädel aller 13 Toten bargen
den Zug den einer der das alles eher als wir verstand
wie eine Gliederkette durch die Ebne zog
sahen wir und wußten nicht warum er hielt hier
in unsrer Gegend wo die Züge selten halten
ein früher Herbsttag war das und die zwei die waren
aus der Landschaft ganz heraus gerissen oder ganz
in sie hinein – wir gingen weg als sie den Fahrer
wechselten eines schnellen Zuges der jetzt langsam anfuhr

V. Daniela Danz – Buchcover

V. Gedichte
Wallstein Verlag, Göttingen 2014
ISBN: 978-3-8353-1377-4
Preis: 16,90 Euro

Das ist das Land

Das ist das Land von dem man sagt

daß alles hier aufhört und alles anfängt
das sind die Dörfer die im Schlaf
über mich kriechen mit schweren Sockeln
der Kirchen und bellenden Hunden
das sind die Dörfer in deren Leere
ich morgens stehe wenn ich erwache
das ist der Tau zu dem ich den Durst
noch am Abend verspürt habe
Das ist das Land der kalten Dörfer
das sind die bellenden Dörfer
die sagen: wie lebst du bequem
während wir dreimal aufhören
und einmal den Anfang nicht finden
das bin ich unter der Decke
der wimmernde Hund geht nachts
durch die Dörfer seine Füße laufen
im Schlaf auf der kalten Straße
getrieben vom Gekläff der Meute
das ist das leere Land das mich
morgens bekniet und abends verbellt
das ist im Schlaf ein Dorn und da
habe ich auch die Zeit gesehen
als die Dörfer sich über mich schleppten
sie sah nach nichts aus aber der Zug
von Nachsicht um ihre Mundwinkel
zeichnete sie aus vor allen Gestalten
des Traums: du bist nicht gekommen
ich habe gesagt Herbst und Mahd
ich habe dir einen Kirmesburschen geschickt
aber du wolltest umkehren

V. Daniela Danz – Buchcover

V. Gedichte
Wallstein Verlag, Göttingen 2014
ISBN: 978-3-8353-1377-4
Preis: 16,90 Euro